Autor: Johannes Schmidt

Angaben zum Herausgeber: Johannes Schmidt, geboren 1958 im Bergischen Land. Als Sohn eines Maler- und Anstreichers aufgewachsen in einem proletarischen Haushalt. Lehre als Elektroinstallateur mit einem Gesellenstück als Abschluss. Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst in einer Einrichtung der Behindertenhilfe. Im Anschluss folgte als berufliche Tätigkeit die Betreuung von geistig und körperlich behinderten Menschen. Geistig verwandt mit Annie Ernaux, die gleichfalls in einem bildungsfernen Haushalt aufwuchs. Vorbildlich ihr Buch „Die Scham“, in dem die Autorin das beharrliche Gefühl der eigenen Unwürdigkeit thematisiert. Seit 1989 erste Versuche in kurzessayistischer Feuilletonprosa über Trivialmythen, die sich mit B-Movies, Pop, und Rhythm and Blues beschäftigen. Als Herausgeber von "Schmieds Katze" vollzieht sich eine Hinwendung zum "Autosoziobiografischen Erzählen". Buchveröffentlichung: »Schmieds Katze«, Edition Das Labor, Neheim 2025

Wohlstandsverwahrlosung

Einmal tief durchatmen und eine Resignationsübung vollziehen. Nirgendwo lässt sich die zerebrale Verwahrlosung einiger Neheimer besser beobachten, als im Umfeld dieser Altkleidercontainer. Die Aufforderung Kleider und Schuhe zu „spenden“, regt Leute allen Anschein nach auch dazu an, das Umfeld in…

Sich bedingende Gegensatzpaare

Es ist ein Irrlehre, dass mehr Information zu fruchtbarer Wahrheit, Freiheit, und Demokratie führt. Erinnerung täuscht – das ist ihr schönstes Spiel – war es jedoch nicht so, dass Buchhandlungen einst ein Garant für den freien Geist waren, ein Ort…

Dekontaminierung des Denkens

Die Natural Born Neheimer sind die Interpreten ihrer eigenen Geschichte. Auch im hintersten Hinterland werden sie nicht verschont vor inneren Dramen, Neurosen, der Abhängigkeit von Zuspruch und Anerkennung. Ein ständiges Hin und Her von Selbstbeobachtung und Bewältigung. Die gibt ihnen…

Heimsuchung

„Look at mother nature on the run in the nineteen-seventease“ Neil Young Die Natur ist im Sauerland nicht bloß eine Kulisse, durch die ein Mensch stapft. Feld und Wald sind im 21. Jahrhundert weder gut noch ursprünglich und schon gar…

Kraut und Rüben

Allen Krautrockbands ist außer der geographischen Herkunft der Hang zur experimentellen improvisationsgeprägten Rockmusik gemein. Eine Rückblende: Im Mai 1973 nahm die Hamburger Gruppe Faust ihre vierte LP auf, deren erstes Stück „Krautrock“ hieß. Virgin Records übernahm diesen Begriff als Genre-Bezeichnung…

Der unwiderstehliche Charme des Reizlosen

 Der Tag der Architektur ist ein Fest- oder Gedenktag. Wir besichtigen aus diesem Anlass die Rückseite der Bausünden in Neheim. Die Existenz der Dinge liegt im Sauerland im Wahrgenommen-Werden. Die Natural Born Neheimer können sich der Welt nur noch über…

Zeitkritische Interventionen

„So sitze ich denn einmal mehr im Arbeitszimmer am Schreibtisch, genieße den Ausblick aus der architektonisch eigenwillig gestalteten Fenstergaube und denke für einen Augenblick darüber nach, ob die mit dem vorherigen Attribut gestaltete Architektur durchaus mit der bei mir vermuteten Eigenwilligkeit…

Ansatzlose Vollstreckung

Am ‚Hochfest des Leibes und Blutes Christi‘ stellt die katholische Kirche ihren Vampirismus offen zur Schau. Nichts existiert im Sauerland in harmloser Erbaulichkeit. Die Natural Born Neheimer bewegen sich zwischen Entwurzelung und Neuverortung. Zuweilen erscheint ihnen das Sauerland als ein…

Zerfallende Welt

Die Neheimer sind zu Verbrauchern mutiert. Sie verbrauchen ein Produkt. Sie verbrauchen ihre Lebenszeit, so lange bis nichts mehr vorhanden ist. Im Gegensatz zu anderen Städten der alten Bundesrepublik wurden die größten Bausünden in Neheim nicht nach Weltkrieg #2 verübt,…

Ästhetische Nachhaltigkeit

„Bolan – Bowie – Boa, das ist eine ganz klare Linie“. Tony Visconti In der alten BRD gehörte der Westfale Ernst Ulrich Figgen – aka Phillip Boa – zu den experimentierfreudigsten Musikern. Wesentlich dazu beigetragen hat der Neheimer Keyboarder Toett*,…

Ein Fest in vielen Zungen

„Communication breakdown, it’s always the sameHavin‘ a nervous breakdown, drive me insane“ Led Zepplin Die Verständigungsarbeit zwischen Tier und Mensch ist – um es vorsichtig zu sagen – schwierig. Die Katze ist überzeugt davon, dass der Einfühlungs- und Verstehensprozess des…

Die leere Mitte

In der Konsumentendemokratie, mit den Abstimmungsergebnissen an den Kasse, erkennt die Katze die völlige Durchökonomisierung des Kulturverständnisses. Es gibt im Sauerland nichts Überragendes. Keine großen Ereignisse. Keine großen Menschen. Keine großen Ideen. Der Herausgeber kann den gedanklichen Leerlauf in Neheim…

Verlassene Ortschaften

Wenn Sauerländer lässig erscheinen wollen, benutzen sie Worte wie Handy, wenn sie ihr Feldtelefon meinen, Beamer, wenn sie einen Projektor meinen oder Lost Places, wenn sie eigentlich auf Aufgegebene Liegenschaften hinweisen wollen. Der Ausdruck „Lost Place“ ist ein Pseudoanglizismus, als…

Gute Nachbarn

Im „Ruhr-Möhne-Eck“ kommt zusammen, was sich dem Wiedenberg zugehörig fühlt. Der Freundschaftsclub „Ruhr-Möhne-Eck“ (RME) wurde im März 1955 in der Gaststätte Wiechen gegründet. Seither ist die gute Nachbarschaft am Wiedenberg geprägt von Offenheit, Neugier und Höflichkeit. Die nachbarschaftlichen Beziehungen waren…

Fünf Finger sind eine Faust

Am ersten Mai, dem Tag der Arbeit, wurde schnell die Parole: „Hoch die Internationale Solidarität!“ angestimmt. Mit diesem Ausruf sollte die Unterstützung für den Widerstand und die Kämpfe von Menschen in der ganzen Welt gegen Ausbeutung und Unterdrückung zum Ausdruck…

Überzogener Machbarkeitswahn

Die Neheimer lieben ihre Stadt für das, was sie sein könnte und hassen sie für das, was die Stadtplaner seit 1982 aus ihr gemacht haben. Ursprünglich zielte der gründlich gutgemeinte Plan der Kommunalpolitker – euphemistisch in einer Hochglanzbröschüre als „Neheimer…

Beobachterposten der städtischen Umwälzung

Jedes bebaute Grundstück, das sich einmal in menschlicher Nutzung befand, welches aber wieder aufgegeben wurde und Spuren hinterlassen hat, kann als brach liegend bezeichnet werden. Es ist auffällig, wie viele dieser Grundstücke in Neheim zu finden sind. Die Agrarlandschaft wurde…

Das Leben ist eine Baustelle

Im katholischen Sauerland ist Neheim dazu verdammt ewig zu werden und niemals zu sein. Neheim ist von den Folgen des 2. Weltkriegs weitestgehend verschont worden. Die Verheerungen sind erst danach entstanden. Seitdem Neheim zur Einkaufsstadt demoliert wurde, folgt ein immerwährender…

Der Maibaum

Der internationale Kampftag der Arbeiterklasse erinnert an das Leben der so genannten kleinen Leute, der Arbeiter und der unteren Mittelschicht. Auf glokaler Ebene erkennen wir wirtschaftliche Probleme und ein daraus resultierendes Alltagsleben, Liebe, Trennung, Zwänge und, überlebte Konventionen. Die Reaktion…

Herausfordernde Offenheit

„Die Stimme verbindet Menschen auf der ganzen Welt“, teilten die Landesmusikräte mit. Sie überwinde kulturelle, sprachliche und geografische Grenzen und schaffe eine Basis für Kommunikation und gegenseitiges Verständnis. „Die Stimme ist auch das erste Instrument, dessen wir uns bedienen, wenn…

Dunstiger Schatten des Winters

„Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt: Nur was nicht aufhört, weh zu tun, bleibt im Gedächtnis.“ Friedrich Nietzsche Das Gefühl von Verlassenheit ist im Sauerland ein Zustand der Existenz, Vereinsamung oder Isolation. Er tritt insbesondere im Zusammenhang…

Erscheinungsdatum, mit Quellenangabe

„Don’t judge a book by its cover“, lesen wir in George Eliots »Die Mühle am Floss«, einem Roman, der lange Zeit nur noch in einer schmucklosen Reclam-Ausgabe zu kaufen gibt. Schmieds Katze wird heute, am Welttag des Buches, am 23.…

Metamärchen

„Erzähl doch kein Märchen!“, dieser Ausspruch wird von gern den Wahrscheinlichkeitskrämern verwendet, um die Glaubwürdigkeit und den Wahrheitsgehalt einer Geschichte anzuzweifeln. Wer Märchen erzählt, wird nicht ernst genommen. Dies erstaunt umso mehr, weil seit Wilhelm und Jacob Grimm die Volksmärchen…