Im katholischen Sauerland ist Neheim dazu verdammt ewig zu werden und niemals zu sein.

Neheim ist von den Folgen des 2. Weltkriegs weitestgehend verschont worden. Die Verheerungen sind erst danach entstanden.
Seitdem Neheim zur Einkaufsstadt demoliert wurde, folgt ein immerwährender Umbau als wäre dies ein Stadtteil von Legoland. Nichts rundet sich hier, nichts entfaltet sich organisch. Was fehlt, ist eine übergeordnete Planungsidee und es keimt der Verdacht, dass diese Gemeinde nicht den Bürgern sondern den Bauunternehmern gehört, welche in einer Bauausstellung neue Ideen und Projekte im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich Impulse mit dem größtmöglichen Gewinn durchspielen wollen.
Im Gegensatz zu Disneyfizierung des Verwaltungssitzes des Regierungsbezirks bietet die Traditionslosigkeit in Neheim den Vorteil, dass sie enthemmt und für die Stadtplaner eine absolute Bewegungsfreiheit schafft. Architektur ist hier eine Operation am offenen Herzen, doch niemand merkt, dass der Patient spätestens seit 1982 zombifiziert ist.
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Ein Spaziergang durch die Rückseite der Bausünden in Neheim seit 1982 ff. im flaneurhaften Sinn von Walter Benjamin führt in eine Einbahnstraße.

Die Einbahnstraße ist eine entscheidende Gelenkstelle in Benjamins Gesamtwerk, in der Überlegungen des Frühwerks transformiert werden, um sie dann in späteren Arbeiten weiterzuführen. Dies veranschaulicht insbesondere die 43 Texte umfassende »Nachtragsliste zur Einbahnstraße«, die Benjamin Anfang bis Mitte der dreißiger Jahre zusammenstellte. Sie wird, neben dem Erstdruck und allen handschriftlichen Vorstufen sowie zeitgenössischen Rezensionen, in der neuen Edition erstmals als Einheit zu lesen sein.
Weiterführend → In 2003 stellte KUNO den Essay als Versuchsanordnung vor.
→ In 2013 unternahm Constanze Schmidt Gedankenspaziergänge.
→ In 2023 machte sich Holger Benkel gedanken über das denken.