Fuppes

„Abseits ist, wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt.“

Hennes Weisweiler über Günter Netzer

„Bonhof. Und Netzer. Und Tor.“ (Ernst Huberty)

Es gilt zuerst einen Mythos auszuräumen, Netzer habe sich bei dem legendären Pokalfinale am 23. Juni 1973 selbst eingewechselt. Mit dem Satz „Du spielst dann jetzt.“, wollte Hennes Weisweiler dä Jünter bereits in der Halbzeitpause einwechseln. Dieser verweigerte, weil er einem hervorragenden Spiel nichts besseres hinzusetzen vermochte. In der Pause zur Verlängerung fragte Netzer den völlig ausgepumpten Christian Kulik, ob er sich noch fit fühle. Er verneinte. „Ich spiel denn jetzt.“, rief Netzer dem Trainer zu. Wenn man die komplexe Beziehung von Jünter und Hennes nicht kennt, kann man diese als ´Selbsteinwechselung` missinterpretieren.

„Es war an der Zeit, Langner gegen etwas Geniales einzutauschen – gegen einen Trainer, der die volle Entfaltung der hoffnungsvollen Ansätze bewirken könnte.“

Helmut Grashoff

Nachdem Fritz Langner seinen Wechsel nach Gelsenkirchen bekannt gegeben hatte, war die wahre Borussia auf Trainersuche. Der VfL entschied sich für Hennes Weisweiler, der im April 1964 einen Vertrag am Bökelberg unterschrieb. Es war ein Arbeitspapier, das die große Zukunft Borussia besiegeln sollte. Langer hatte mit dem Umbau begonnen, viele junge Spieler in das Team eingebaut. Doch hemmten seine militärischen Methoden den Spielbetrieb – Weisweilers rheinische Natur war genau das, was die Elf vom Niederrhein brauchte, um sich zu entfalten. Ein großer Fußball-Fachmann, ein Mann mit Visionen, der Arbeit einforderte, zugleich aber ein väterlicher Freund war – Weisweiler wurde zum Vater der Fohlen:

„Fußball muss Spaß machen, ein 5:4 ist besser als ein 1:0“!

Weisweiler führte die Mannschaft 1965 in die Bundesliga. Durch seine Arbeit mit der Mannschaft von Borussia Mönchengladbach, die er mit einem offensiven Spielsystem bei konsequentem Einbau junger Spieler innerhalb weniger Jahre vom Regionalligisten zu einem europäischen Spitzenteam formte, galt Weisweiler in den 1970er Jahren als einer der besten Vereinstrainer weltweit. Jahr für Jahr steigerte sich das Team unter seiner Regie, wurde dreimal Deutscher Meister, gewann den DFB-Pokal, schlug Inter Mailand mit sage und schreibe 7:1 – und zum Abschluss 1975 mit dem UEFA-Pokal auch den ersten internationalen Titel. Weisweiler verordnete den Borussen ein Offensivspiel, das weit über die Landesgrenzen hinaus für Furore sorgte. Noch heute schwärmen die Fußballkenner vom Spiel der Borussen in den frühen 1970er Jahren.

„Es standen sich mit Gladbach und Bayern die beiden Optionen gegenüber, die in den Jahren nach 1968, als wirklich Bewegung in die bundesdeutschen Strukturen kam, um die Vorherrschaft rangen: Radikalität oder Nüchternheit, Reform oder Pragmatismus, Utopie oder Funktionalitiät. […] Die beiden Gladbacher Meisterschaften 1970 und 1971 sind Höhepunkte fußballerischer Avantgarde.“

Helmut Böttiger

Weisweiler machte aus der Elf vom Niederrhein eine Torfabrik. Unter ihm wurde Borussia 1970 erstmals Meister, 1971 und 1975 wiederholte sich dieser Erfolg. Erst war es die verstärkte Defensive, dann der Torhunger, dann der Konterstil, der Borussia zum Champion machte.  Er wusste, seine Mannschaft zu wandeln, den Möglichkeiten anzupassen und immer wieder neu zu erfinden. Als er 1975, auf dem Höhepunkt seines Schaffens – dem grandiosen 5:1-Sieg im UEFA-Pokal-Final-Rückspiel in Enschede – seinen Abschied nach Barca verkündete, sagte der Trainer: „Ich verliere eine Mannschaft, an der ich hänge und die ich geformt habe.“

Wie groß der Respekt zwischen den beiden Persönlichkeiten wirklich war, zeigt ein Zitat von Günter Netzer über ein Treffen mit Hennes-Weisweiler und Hans-Hubert (Berti) Vogts nach der Zeit mit der B’russia:

„Der hat uns in der Düsseldorfer Altstadt tatsächlich, als wir mit ihm einen trinken gingen, das Du angeboten. Doch das haben wir nie geschafft, ihn zu duzen. Wir beide nicht. Der Respekt war viel zu groß vor diesem Mann, die Anerkennung, was er für uns getan hat.“

Für alle, die das Glück hatten, diese Zeit mitzuerleben, sagt diese Ausstellung nicht neues über den ´Fuppes` aus. Inzwischen wird dä Jünter zum ersten „Popstar des deutschen Fußballs verklärt“. Das sagt nichts über den Mann mit der Nummer 10 aus, vielmehr über die superlativistische Wirklichkeit, in der die meisten Menschen leben. Wie angenehm ist dagegen die Erkenntnis des ehemalige FAZ-Literaturchefs Karl Heinz Bohrer, der den ersten Sieg einer DFB-Elf in Wembley mit dem Satz kommentierte:

„Netzer kam aus der Tiefe des Raumes.“

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dem „King vom Bökelberg“ ausgerechnet in der Stadt der falschen Borussia eine Ausstellung gewidmet wurde.

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Öffnungszeiten Deutsches Fußballmuseum – Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr (letzter Einlass 17 Uhr)