Entzauberung des Firmaments

„Die Philosophie steht in diesem großen Buch geschrieben, das unserem Blick ständig offen liegt, ich meine das Universum.“

Galileo Galilei

Das Urheberrecht für dieses Bild liegt beim Archiv Mischa Kuball, Düsseldorf.

Die Projektionen von Licht spielt im Werk von Mischa Kuball eine zentrale Rolle. Der direkte Einsatz des Lichtes ist bei diesem Künstler stets mit der Reflexion sozialer, politischer und wissenschaftlicher Fragen verbunden ist. Dieses Denken wird aus seinen Verankerungen gelöst, um mit dem in das Universum ein buchstäbliches Freiwerden zu beobachten. Es geht Kuball ebenso wie Galileo Galilei darum, das Gewicht der Welt – nicht auszuheben – sondern eher zum Schweben zu bringen.

„Ich bin vom Lichteuphoriker zum Lichtskeptiker geworden.“

Mischa Kuball über die Schwierigkeit mit Licht aufklärerische Impulse zu setzen

Die Unschärfe der Betrachtung erscheint nicht als pure Absicht. projektionsraum 1:1:1/spinning version bezieht sich auf eine astronomische Entdeckung, die der italienische Universalgelehrte Anfang des 17. Jahrhunderts gemacht hat. Er beobachtete dunkle, sich bewegende und verändernde Flecken auf der Sonnenscheibe. Diese konnte er zwar noch nicht eindeutig zuordnen, aber die „Sonnenflecken“ stützten Kopernikus‘ Weltbild. Dieser widersprach den Dogmen der Kirche, hat sich aber als den Tatsachen entsprechend erwiesen:

„Die Erde ist keine Scheibe, sondern eine Kugel und nicht der Mittelpunkt des Universums, sondern einer der Planeten, die sich um die Sonne drehen.“

So ist das Licht, das Kuball auf zwei sich drehende, farbige runde Scheiben richtet und das faszinierende wechselnde Farbwirkungen im Raum und auf den Wänden erzeugt, als Licht der Erkenntnis lesbar, das sich in das Weltall richtet.

Ist nicht jede Erkenntnis vom Standpunkt, von der Perspektive abhängig und deshalb nie universell?

Kuballs Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen fragt stets auch nach den Gemeinsamkeiten von Wissenschaft und Kunst. War Galilei nicht auch als Künstler anzusehen, wie es der Kunsthistoriker Horst Bredekamp in einer vielgelesenen Untersuchung vorgeschlagen hat? Die Darstellungen der Sonnenflecken auf Galileis eigenen Zeichnungen sind auch ästhetisch beeindruckend. Die kleinen Löcher in den Scheiben sind gezeichnete Flecken auf und lassen sie imaginär durch den Raum wandern.

„Ich bin schließlich zu dem Schluss gekommen und glaube, dies mit Sicherheit beweisen zu können, dass sie [d. h. die Sonnenflecken] an die Oberfläche des Sonnenkörpers angrenzen, wo sie kontinuierlich erzeugt und aufgelöst werden, genau wie Wolken um die Erde, und von der Sonne selbst umhergetragen werden…“

Galileo Galilei in einem Brief an Federico Cesi

Der Philosoph Jacques Derrida hat angemerkt, dass die Sonne als das vermeintlich Natürliche den Raum der philosophischen Sprache strukturieren würde, dabei jedoch der sinnlichen Wahrnehmung entzogen, metaphorisch, das „Natürlichste“ also immer schon ein Künstliches darstellt. Für die Menschheit bleibt das Zentralgestirn weiterhin das Wunder, das alles begründet, aber auch die größte Gefahr.

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projektionsraum 1:1:1/spinning version von Mischa Kuball am 2. November, Werkstattgalerie Der Bogen, Möhnestraße 59, Neheim.

Weiterführend → Zum Katalog ReferenzRäume findet sich auf KUNO ein Essay. Zuvor betrachtete Stefan Oehm Kuballs Lichtinstallation res·o·nant. Lesen Sie im Rahmen der public preposition ein Gespräch zwischen Vanessa Joan Müller und Mischa Kuball über öffentliche Beziehungen. Gleichfalls empfehlenswert das Ateliergespräch von Prof. Dr. Matei Chihaia mit Mischa Kuball.