Jedes bebaute Grundstück, das sich einmal in menschlicher Nutzung befand, welches aber wieder aufgegeben wurde und Spuren hinterlassen hat, kann als brach liegend bezeichnet werden. Es ist auffällig, wie viele dieser Grundstücke in Neheim zu finden sind.

Die Agrarlandschaft wurde im Sauerland in mehrfach schwingender Hinsicht ´überschrieben`, zurück geblieben sind vernachlässigte Ecken der Stadt sowie leere Trümmerlandschaften. Will man im Sauerland nicht noch mehr fruchtbaren Boden versiegeln, so kann die Zukunft nur in einer Revitalisierung von Brachflächen liegen, um eine Rückgewinnung und Gestaltung von Landschafts- und Siedlungsräumen im Einklang von Mensch und Natur zu gewährleisten. Einer Umnutzung steht häufig eine Schadstoffbelastung der Böden und Anlagen durch Altlasten entgegen, die oft erst nach aufwendiger und kostenintensiver Sanierung möglich ist, siehe auch die Zeche Zollverein in Essen.
Die Wiedereingliederung von Industriebrachen in den Wirtschaftskreislauf wird als „Flächenrecycling“ bezeichnet.
Diese Industriebrache ist ein brach liegendes Land, das nach der Aufgabe der industriellen Nutzung von Industrieanlagen entstanden ist. Dies nicht ausgelagert in einen Industriepark, sondern in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Gewerbemakler verkaufen verkaufen diese Objekte unter den coolen Namen Brownfields, damit sind ehemalige industrielle Flächen gemeint, die ungenutzt oder verfallen sind, und oft mit potenziell gefährlichen Stoffen kontaminiert sind. Die Revitalisierung dieser Flächen bietet Chancen für die Wiederbelebung von Städten und Gemeinden, da sie Flächen für neue Nutzungsmöglichkeiten freisetzen.
Nach dem Abbruch der alten Anlage dauert es in Neheim bis zu einer Neubebauung eine – wie man neuerdings sagt – eine gefühlte Ewigkeit.
Während das Pantheon mit der größten Kuppel aus unbewehrtem Beton vor 2000 Jahren erbaut wurde, bekommen der Betrachter in Neheim den Eindruck, als könnte man sich mit dem nächsten Ikea-Katalog ein neues Gebäude nachbestellen oder sich mit einem 3D-Drucker einen neuen Stadtteil ausdrucken zu lassen.
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Schmieds Katze, von Johannes Schmidt. Edition Das Labor 2025

Im Befragen dessen, was Heimat ausmacht, geht es um den Verlust lokaler Identität. 5760 Neheim ist ein affektiv besetzter Ort mit ehemals prägenden Wörtern, Dialekten, Berufsbezeichnungen, ihren Erhebungen und Abgründen, ihrem lokalen Wissen, ihren geheimen Geschichten und Überlieferungen. Die Vertellstückskers zeigen, wie ´Autosoziobiografisches Schreiben` im Hinterland betrieben wird. Im Land der 1000 Berge existieren Tiefenzeiten und Rückzugsräume. Es gibt im Sauerland noch Orte, in denen die Bürger jenseits des medialen Zerstreutseins zu Hause sind, in denen natürlichen Gegebenheiten und geschichtlichem Gewordensein sie mit anderen aufgehen können. Ähnlich wie bei Annie Ernaux steht auch für den Herausgeber Johannes Schmidt die Thematisierung von Klassismus in diesen Erzählungen im Vordergrund. Er verwandelt sich in einen Kehrichtsammler der Tatsachen, die Bagatellen des täglichen Provinzlebens werden in bizarre scheinenden und möglichst unterhaltsamen Geschichten festgehalten.
Weiterführend → Der Herausgeber würdigte den Fotographen Martin Vanselow, dessen Streetphotography er sehr schätzt. Er freut sich über die Zusammenarbeit für diese Online-Publikation weil Vanselow nicht nur faszinierende Bilder aus dem Alltag hervorholt, sondern weil diese Momentaufnahmen nebenher auch großartige Sozialstudien sind.