Was den Herausgeber seit den 1970-er Jahren fasziniert ist RAP. Es ist interessant, weil jemand drei eng beschriebene DIN-A-4-Seiten auf einem rhythmischen Teppich herunterquasselt. Dies erinnert jedoch weniger an Musik, eher eine Sportart.

Der Schauspieler Herbert Grönemeyer („Das Boot“) ein verkappter Rapper?
Seit 4630 Bochum gilt Herbert Grönemeyer als Kenner des Ruhrgebeats. Bochum, also westliches Westfalen, eher östliches Ruhrgebiet. Jede Form von Literatur ist hier seit der Literatur der Arbeitswelt pure Gegenwartsliteratur, weil: „Gegenwart ist hier immer und überall!“
Der am Leipziger Literaturinstitut als Professor für Literarisches Schreiben lehrende Michael Lentz versucht sich dem Pop-Phänomen Herbert Grönemeyer anzunähern. Der Autor setzt ganz auf eine Werkbiographie:
„Die achtaktige ‚Oh‘ Vokalise, die nach der vierten Strophe den Refrain von seiner Wiederholung trennt, setzt in aufsteigender und absteigender Linie jenes ‚oh‘ genau auf den Beat (viermal oh je Takt). Das im Lied hinterfragte beschworene Mitkriegen erfährt hier, so konnte die Passage gehört werden, ein zugleich persiflierendes Einhämmern als Kür zur Pflicht der nächsten Strophen (…).“
Nicht eine ästhetische Kompensation wäre gefragt, sondern das Hinterfragen einer ästhetische Produktivität. Inwieweit literarische Texte ihre politische, soziale oder kulturelle Zeitgenossenschaft artikulieren, darin unterscheiden sich die Lyrics von denen der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash erheblich. Es bleibt ein Rätsel, warum der Billie Holiday des Strukturwandels bislang keine Werkbiografie gewindet wurde.
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Grönemeyer, Werkbiografie von Michael Lentz. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024
Reich ohne Geld, CD mit „Dschäzzz“ von Eva Kurowski, roofmusic, Bochum, 2001

Weiterführend → Im typischen Gestus junger Dichter hasste Arthur Rimbaud die kleinbürgerliche Enge seiner Vaterstadt, was z. B. in dem satirischen Gedicht À la musique (An die Musik) zum Ausdruck kommt, er ist der erste Rockstar der Poesie. Dichter wie der Dub-Poet Linton Kwesi Johnson, der Punk-Poet John Cooper Clarke, der Lo-Fi-Poet Dan Treacy, der Spät-Expressionist Peter Hein, der Lizard-King Jim Morrison und die Grandma des Punk Patti Smith nutzten Musik als Transportmittel für ihre Lyrics. Und eigentlich könnte auch: „Dylan gut ohne den Nobelpreis für Literatur weiterleben und -arbeiten. Er ist auch kein genuiner Kandidat, insofern er halt kein ‚richtiger‘ Schriftsteller ist, sondern ein Singer-Songwriter.“ (Heinrich Detering). Es gibt im Leben sowie in der Kunst unterschiedliche Formen von Erfolg. Zum einen gibt es die Auszeichnung durch Preise und Stipendien, zum anderen die Anerkennung durch die Kolleginnen und Kollegen.