Die Frage: „Wie starb Laura Palmer?“ konnte nie hinreichend geklärt werden. Die Frage, woran der Renaissance-Mensch David Lynch starb ist eindeutig. Von seinem Meisterwerk Twin Peaks geht dagegen weiterhin eine verstörende Faszination aus.

Kult leitet sich von colere „anbauen, pflegen“ ab und umfasst ursprünglich religiöse Handlungen. Das abgeleitete Adjektiv kultisch unterscheidet sich vom umgangssprachlichen kultig, dem Adjektiv von Kultstatus. Obwohl Kult vor allem als Bezeichnung für die spirituelle Praxis benutzt wird, ist die Bedeutung in der Alltagssprache weiter gefasst. Das Label Kult wird mittlerweile allem angehangen, was auch nur entfernt tarantinesk ist. Dank DVD-Auswertungen sind nun auch wieder sogenannte „Kultserien“ zugänglich. Als Hybrid lässt sich diese ´Mutter aller Serien` keinem Genre zuordnen. David Lynch spielt mit Mustern aus dem Kriminalfilm, Mystery- und Horrorfilm-Motiven. Die Serie, enthält aber auch Elemente einer klassischen Soap Opera. Während der Ermittlungen an einem Mordfall wird ein irrwitziges Labyrinth aus Sex, Drogen und Gewalt aufgedeckt, das sich hinter der idyllischen Fassade der Kleinstadt Twin Peaks verbirgt.
Twin Peaks ist New Age Musik für das Auge.
Washington Post
Schon die ersten Takte der verstörend schöne Titelmusik von Angelo Badalamenti ziehen den Betrachter in eine Welt hinter den Bergen, nein, nicht sieben, aber auch Zwerge spielen eine Rolle. David Lynch hat wahrscheinlich als erster Regisseur erkennt, dass ausgerechnet das TV Möglichkeiten des Erzählens eröffnet, die in Hollywood kaum mehr möglich sind. In diesem Zusammenhang muss man seinen kongenialen Partner Mark Frost zu erwähnen. Die beiden ergänzten sich perfekt und schufen mit „Twin Peaks“ etwas homerisches.
some damn fine coffee
Dale B. Cooper
Zur, wenn man aufgrund der vielfältigen Abschweifungen davon sprechen mag, Handlung: Der FBI-Agent Dale Cooper kommt in das Städtchen Twin Peaks, um dort gemeinsam mit dem örtlichen Sheriff Harry S. Truman den Mord an der 17‑jährigen Schülerin Laura Palmer aufzuklären. Cooper genießt den örtlichen Kirschkuchen (mit Vanille-Eis!) und den verdammt guten heißen Kaffee, und spricht alle wichtigen Ermittlungsschritte und neuen Erkenntnisse für seine (allerdings nie zu sehende) Assistentin Diane in ein Diktiergerät. Nach und nach lernt er die schrulligen, jedoch überaus komplexen Typen von Twin Peaks und ihre Geheimnisse kennen, ebenso die der so harmlos erscheinenden Schülerin Laura Palmer, die sich (Spoiler) posthum als nymphomane, drogensüchtige Schlampe entpuppt.
Eine hervorragend zusammengestellte Riege an Schauspielern
Zu den Einwohnern gehören eine hervorragend zusammengestellte Riege an Schauspielern, als Neben-Darstellen mag sie kaum bezeichnen: Die Truckerfrau Shelley Johnson, Lauras Freund Bobby Briggs, der Hotelbesitzer Benjamin Horne, seine Tochter Audrey, Dr. William Hayward, seine Tochter Donna, die Lauras beste Freundin war, die Restaurantbesitzerin Norma Jennings, James Hurley, sein Onkel Big Ed, ein Tankstellenbesitzer, Lauras Vater Leland Palmer, der Trucker Leo Johnson, die Witwe Jocelyn „Josie” Packard und ihre Schwägerin Catherine Martell, der Psychiater Dr. Lawrence Jacoby, Lauras Cousine Madeleine Ferguson, die „Log Lady” Margaret, die immer mit einem Stück Holz herumläuft und mit ihm spricht, und Sheriff Trumans Deputies Tommy Hill und Andy Brennan . Nach monatelanger Suche findet Cooper Lauras Mörder schließlich in ihrem eigenen Vater, der von einem ‚Bösen Geist‘ besessen ist und sich nicht nur bei Vollmond in den Amok laufenden Irren Bob verwandelt.
Who dun it?!?
Who cares?
Die Suche nach Laura Palmers Mörder erstreckte sich über den größten Teil der Serie, jedoch nicht bis zu deren Ende. In Folge 16 wird Leland alias Bob entlarvt, und FBI-Agent Dale Cooper kümmert sich anschließend um andere Merkwürdigkeiten, die in der Stadt vorgehen, in der niemand ist, was er scheint, und nicht einmal das ist, was er gerade noch war. Der Mord an Laura Palmer gehört für Cooper zu einem Netz von Verbrechen, mit dem sein ehemaliger Kollege Windom Earl auf eine verstiegene Art Rache an ihm zu nehmen versucht. Formal gesagt, löst sich Twin Peaks nach der Täterfindung von der Simulation einer endlichen Krimiserie in die Simulation einer unendlichen Soap auf und kehrt damit in genau jene Fernsehwelt zurück, in der in vielen Folgen im Hintergrund immer wieder Ausschnitte aus der fiktiven Soap Invitation to Love liefen. In der letzten Szene zerbricht Cooper einen Spiegel, in dem Bob erscheint, der Mörder, von dem nun anscheinend Cooper besessen ist.
Like Mr. Lynch said : „I love Twin Peaks and it’s world!“
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Twin Peaks, digitally remastered, alle 29 Folgen der Serie sind im gut sortierten Fachhandel erhältlich. Diese DVDs gehören in jedes Bücherregal.

Weiterführend → Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp.