
Eine Erinnerung an Peter Meilchens nachgelassenen Roman.
In seinem nachgelassenen Roman „Schimpfen“, befragt Meilchen künstlerische Positionen. Die von ihm geschilderten Figuren begreifen, dass für sie die Auseinandersetzung mit dem, was man Kunst nennt, stets über das Bildermachen hinausging und das Bemühen um eine Lebenshaltung war, die auch im Erleben des Lebens Erkenntnisse und Erfahrungen sammelte. Dies floß in seine Praxis der Kunst ein und zeigt sich in diesem Roman als Gespräch unter alten Freunden. Aus dem Zwiegespräch der Protagonisten wird auch ein Dialog mit dem Leser.
Bücher sind Zeichen aus einer verblichenen Kultur…
Im 21. Jahrhundert erleben Lesende einen Bruch mit traditionellem Kausalitätsdenken. Nurmehr Bücher beinhalten das Offenlassen gestellter Fragen. Eine gut geführte Buchhandlung trägt zur Vermehrung des Wissens bei. Die Idee des produktiven Umgangs mit Wissen dient den Lesenden als ein roter Faden, der zu allmählichen Verfertigen der Persönlichkeit beiträgt. Dazu gehören Künstlerbücher. Wie kaum eine andere Galerie in Deutschland hat die Werkstattgalerie ‘Der Bogen’ in Neheim immer Wert auf die handwerkliche Erarbeitung von Künstlerbüchern gelegt. Diese Aura der Einmaligkeit reicht von den Materialbüchern des Jürgen Diehl, über die Schland-Box von Peter Meilchen, bis hin zu Haimo Hieronymus vielfältigen Erkundungen über die Möglichkeiten der Linie zwischen Schrift und Zeichnung, der Verstetigung von Schrift, Pinsel und der Drucktechnik.
Meilchen machte sich ein eigenes Bild von der der Romantik. Er studierte die Fragmente Novalis‘ und Friedrich Schlegels, las „Heinrich von Ofterdingen“ und „Lucinde“, bevor er zu den Gedichten aus „Des Knaben Wunderhorn“, den Texten von Eichendorff und Brentano übergeht, und mit Heines Lore-Ley wieder Heimatboden betreten konnte…
Sollten wir Romantik als Autonomie des Imaginären verstehen, dann handelt es sich bei Schimpfen durchaus um eine romantischen Prosa, die sich aus der Spannung zwischen Realität und Imagination, Besitzen und Begehren ergibt. Schimpfen ist ein Text ohne Gedächtnis, allein von Erinnerungen an Bilder, Gerüche, Gefühle getragen und auf der Suche nach einer zu erzählenden Geschichte. Obzwar die Seelenzeit im Sauerland sehr langsam vergeht, existieren in der Wahrnehmung eng geführte Parallelen; das Wirkliche setzt sich aus Gedanken und Gefühltem zusammen. Das Leben wird über Zuschreibungen interpretiert. Das Erlebte wird vom Erinnernden interpretiert. Es gilt das Vergangene aufrechtzuerhalten, ohne das der Natural Born Neheimer als Mensch scheitern und am eigenen Verlorensein zugrunde geht.
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Schimpfen, von Peter Meilchen, Edition Das Labor, Linz, Neheim, Mülheim an der Ruhr 2013

Weiterführend → Lesen Sie auch den Nachruf und die Würdigung von Peter Meilchens Lebenswerk. Zum Thema ´Photographie` lesen Sie auch den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz sowie den Essay zum Buch / Katalog-Projekt 630.
→Walter Benjamins Kleine Geschichte der Photographie (1931) war einer der frühesten Versuche zum Verständnis der immer noch jungen Technik und weist zugleich voraus auf seine berühmte Abhandlung Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935).
→ Im Kino gewesen. Geweint. – Eine Betrachtung des Dokumentafilms über Vivian Maier.