Fünf Finger sind eine Faust

Am ersten Mai, dem Tag der Arbeit, wurde schnell die Parole: „Hoch die Internationale Solidarität!“ angestimmt. Mit diesem Ausruf sollte die Unterstützung für den Widerstand und die Kämpfe von Menschen in der ganzen Welt gegen Ausbeutung und Unterdrückung zum Ausdruck gebracht werden.

Wo Rauch… ist auch Qualm… die PartyZone des Dies Internationalis erweist sich als Sinnbild einer Stadtgesellschaft, die so gern handeln möchte, jedoch verlernt hat, wie es geht. Wo Qualm… verlischt die Glut…

Solidarität ist eine zentrale Forderung, Grundlage und Praxis der Proletarier. Die Arbeiterbewegung hat bereits 1864 erkannt, dass sie nur dann erfolgreich ist, wenn sie sich international aufstellt, da der Blackrock-Kapitalismus global agiert und versucht, sowohl Parteien, Politiker als auch Menschen zum eigenen Vorteil wie Bluthunde aufeinander zu hetzen.

In Zeiten wachsender Xenophobie sollte man der Initiative Dies Internationalis knietief dankbar sein, wenn sie eine solidarische Haltung im Gemeindeleben fordern und daran erinnern, dass in der Wirtschaftswunderzeit nicht Gast–Arbeiter in die Fabriken von Neheim kamen, sondern Menschen.

Seit über 50 Jahren veranstaltet Dies Internationalis in Neheim ein ´Fest der Kulturen`. Geboten wird dem Publikum ein Kessel Buntes, vom internationalen Friedensgebet mit einem indischen Tempeltanz und türkischen Derwischen, gefolgt von einem Nonstop-Programm mit hohem Entertainmentfaktor.

Fressen, Saufen, Spaß haben. Reicht es, im Sommerbrauchtum ein Zelt, einen Bratwurststand und einen Ausschank mit untergärigem Bier aufzustellen, so wird hier vorzügliche internationale und kulinarische Vielfalt geboten. Vom Feinsten! Auf dem ´Aufmarschplatz` von Neheim sucht man die einst beschworene Solidarität vergeblich, im Schatten der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist scheint das Motto eher: „Jeder für sich und Gott gegen alle!“ zu sein. – ¡No Pasarán!

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Schmieds Katze, von Johannes Schmidt. Edition Das Labor 2025

Im Befragen dessen, was Heimat ausmacht, geht es um den Verlust lokaler Identität. 5760 Neheim ist ein affektiv besetzter Ort mit ehemals prägenden Wörtern, Dialekten, Berufsbezeichnungen, ihren Erhebungen und Abgründen, ihrem lokalen Wissen, ihren geheimen Geschichten und Überlieferungen. Die Vertellstückskers zeigen, wie ´Autosoziobiografisches Schreiben` im Hinterland betrieben wird. Im Land der 1000 Berge existieren Tiefenzeiten und Rückzugsräume. Es gibt im Sauerland noch Orte, in denen die Bürger jenseits des medialen Zerstreutseins zu Hause sind, in denen natürlichen Gegebenheiten und geschichtlichem Gewordensein sie mit anderen aufgehen können. Ähnlich wie bei Annie Ernaux steht auch für den Herausgeber Johannes Schmidt die Thematisierung von Klassismus in diesen Erzählungen im Vordergrund. Er verwandelt sich in einen Kehrichtsammler der Tatsachen, die Bagatellen des täglichen Provinzlebens werden in bizarre scheinenden und möglichst unterhaltsamen Geschichten festgehalten.

Weiterführend → Der Herausgeber würdigte den Fotographen Martin Vanselow, dessen Streetphotography er sehr schätzt. Er freut sich über die Zusammenarbeit für diese Online-Publikation weil Vanselow nicht nur faszinierende Bilder aus dem Alltag hervorhoondern weil diese Momentaufnahmen nebenher auch großartige Sozialstudien sind.